Kreativität kann nicht erzwungen werden. Darin sind sich (fast) alle einig. Andererseits fallen gute Ideen nicht vom Himmel, sondern sind immer eine Folge kreativitätsfördernder Prozesse, die mehr unbewusst als bewusst iterativ ineinander greifen und sich gegenseitig befördern.
Erfolgreiche Ideen und Innovationen lassen sich nicht wie am Fließband produzieren. Wer nach diesem ‚Algorithmus‘ sucht, verschwendet seine Zeit (lesenswert: Innovation braucht Zeit!). Es ist daher keineswegs paradox, dass gerade beim Algorithmus-Experten Google der Mut zum Risiko und eine offene Fehlerkultur die Unternehmensphilosophie prägen. Google schreckt nicht davor zurück, Fehler zu begehen. Wichtig ist nur, dass sich derselbe Fehler nicht wiederholt (direkt hierzu: Don’t make a mistake twice. Make new ones! #PMF14). Geleitet durch eine Vision bzw. ein ‚fernes‘ Ziel investiert Google Risikokapital insbesondere in komplexe, zunächst unüberschaubare Projekte. Das so genannte ‚Moonshot Thinking‘ ist bei Google eine Grundhaltung, Fehler auf dem Weg zum ‚Mond‘ bieten den Nährboden für Fortschritt und Innovation, auch wenn das eigentliche Ziel nie erreicht wird. Google versucht sich an vielen Dingen und scheut nicht davor, sie wieder einzustellen. Scheitern ist Teil des Geschäftsmodells (hierzu: brand eins 11/2014: Google kann alles. Will alles. Wird alles. Wirklich?).
Design Thinking – die Spielwiese für komplexe Probleme
Design Thinking ist ein agiler Ansatz, der sich besonders für die Lösung komplexer Problemstellungen eignet, also immer dann, wenn der gesammelte Erfahrungsschatz an seine Grenzen stößt (mehr zur Einordnung und Lösung komplexer Problemstellungen liefert z.B. das ‚Cynefin Framework‘: A Leader’s Framework for Decision Making).
Im Gegensatz zu Ansätzen, die die technische Lösbarkeit einer Problemstellung fokussieren, folgt Design Thinking dem Prinzip des nutzerorientierten Erfindens, indem konsequent die Perspektive des Kunden bzw. Anwenders eingenommen wird. Die ständige Rückkopplung zwischen dem Entwickler einer Lösung und dem Nutzer derselben liefern schnell anwendungsnahe Ergebnisse und stellen sicher, dass neben der technologischen Machbarkeit und wirtschaftlichen Tragfähigkeit der menschlichen Perspektive Rechnung getragen wird. Prototypen auf dem Weg zur Innovation sind die Ergebnistypen dieser Rückkopplungen.
Die Design Thinking-Rezeptur
Design Thinking nutzt das Potenzial gemeinschaftlichen Denken und Handelns, indem es drei wesentliche Zutaten mit einander kombiniert: multidisziplinäre Teams, variable Räume und Innovationsprozesse (siehe z.B.: Hasso-Plattner-Institut; launchlabs).
Der variable Raum! Ort der Begegnung und Gestaltung!
Im Zentrum der multidisziplinären Teamarbeit stehen immer greifbare, konkrete Ergebnisse. Der haptischen Wahrnehmung kommt dabei entscheidende Bedeutung zu. Besonders in der Ideenfindungsphase gilt es, möglichst viele Sinne anzusprechen, um die Gehirnleistung und damit die Kreativität in Schwung zu bringen.
Design Thinker sind Experten für variable Raumgestaltung und Arbeitsumgebungen. Flexibles Mobiliar, ausreichend Raum für Bewegung, Steh- statt Sitzplätze, transportable Whiteboards und Materialien zum Prototypenbau fördern den Kreativitätsprozess. Konferenztische gehen gar nicht!
Mehr als Lego und Knete! Spielerisch zur Lösung!
Agile Ansätze und Methoden werden häufig mit der Lego-Bilderwelt verknüpft. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein neues Geschäftsfeld der Lego-Gruppe („ …obwohl, die Idee ist gar nicht so weit hergeholt …“ 😉 ), sondern um den Bezug zum kreativsten aller Prozesse überhaupt: Das Spiel!
Spielen ist eine aus eigener Motivation heraus gewählte Beschäftigung, die bis auf Spaß an der Sache keine weiteren Ziele verfolgt. Es setzt voraus aktiv und aufmerksam zu sein, erzeugt positiven Stress und fördert die Experimentierfreudigkeit. Der Mensch erlernt beim Spielen am effizientesten neue Fähigkeiten, und Kinder sind die wahren Meister des Spiels (mehr zum Spieltrieb: The Value of Play).
Wenn Kinder spielen, gilt ihre ganze Konzentration nur dieser einen Tätigkeit. Beim Spielen erreichen Kinder die ideale Balance kreativen Denkens und Handelns. Der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi bezeichnet diesen Zustand als ‚Flow State‘. Dieser beschreibt den mentalen Zustand der vollständigen Konzentration auf eine Tätigkeit (lesenswert: Finding Flow!). Erwachsene sind diesbzgl. eher ‚verkopfter‘ und weniger verspielt. Das gilt besonders im beruflichen Kontext. Unzählige Meetings, Termindruck, dringliches Tagesgeschäft – Phasen der Kreativität werden als Luxus abgetan, den man sich gerade jetzt nicht leisten kann. Ideenentwicklung und Innovation gelten eher als Auftrag, der derivativ von außen kommt und weniger originär, intrinsisch motiviert ist (brand eins 11/2014: Warum gehen großen Unternehmen die Ideen aus?).
Gestalten Sie Ihren eigenen Laborraum!
Variable Räume und Arbeitsumgebungen schaffen vor diesem Hintergrund die notwendigen Voraussetzungen und öffnen den kreativen Prozess auch für ‚Erwachsene‘ im beruflichen Kontext. Solche Arbeitsumgebungen stehen dabei häufig ganz bewusst in markantem Kontrast zur Umgebung des ‚normalen‘ Tagesgeschäfts. Spielen, Spinnen und Ausprobieren sind ausdrücklich erlaubt und dienen insbesondere bei komplexen Problemstellungen als so genannte ‚Emergenzenabler‘ (lesen Sie, wie Künstler aus aller Welt für die Detecon-Zentrale Installationen und Bilder mit Irritationspotenzial entwickelten: brand eins 06/2013: Kunst wirkt!)
Beispiele und Ideen variabler Raumgestaltung mit Irritations- und Inspirationspotenzial gibt es mittlerweile genug. So stattet bspw. die Internetplattform für Meeting- und Tagungsräume Spacebase ihre Räume in Berlin mit Meeting-Boxen aus, deren Utensilien das kreative Potenzial ihrer Kunden und Mitarbeiter entfalten und nutzbar machen.
Probieren Sie es aus. Let it flow!
Lieber Christian,
ich möchte dir an dieser Stelle ein wirklich ehrlich gemeintes Lob für deinen Schreibstil und die Auswahl der weiterführenden Literatur aussprechen. Wirklich zielgenau, ansprechend und angenehm zu lesen. Ich bin selber großer Fan des brand eins Magazins. Werde mir jetzt gleich den Artikel „Warum gehen großen Unternehmen die Ideen aus“ zu Gemüte führen.
Danke!